Durch diesen Artikel von Martin Mosebach in der Vatican:
Offenbarung in Gips: Die Lourdes-Madonna
Wäre sie doch dem Fra Angelico erschienen. Doch sie kam Jahrhunderte später. Und hatte offenbar nicht vor, ein Kunstwerk zu werden.Warum aber die „Kommodenheiligen“ dennoch mehr sind als nur Kitsch.Kurz zusammengefaßt beschreibt er wie die römisch-katholische Kirche sich von der Heiligendarstellung mittels Ikonen, die ja immer gleich aussehen müssen und deshalb nicht gemalt sondern „geschrieben“ werden, abwandte. Durch Jahrhunderte haben sich dann Künstler an der biblischen Thematik ausgetobt oft auch mit einer Glaubensgrundlage Marke Eigenbau bis sie sich anderen Themen zuwandten. Und dann kam die Lourdes-Madonna!
Der bürgerliche Aufsteiger – und wer wäre das nicht – fürchtet den Kitsch, weil er sich in seiner Geschmacksunsicherheit entlarvt sehen könnte – unsere pauperistischen und minimalistischen Interieurs sprechen auch von der Sorge, durch größere Opulenz womöglich in eine Kitschfalle zu geraten und sich von Geschmacksrichtern der Kleinbürgerlichkeit überführt zu sehen; das kann einem in einem leeren Raum natürlich nicht passieren. Aber der Kitsch ist stark und überlebt in unserer Welt auch die rigidesten Vorsichtsmaßnahmen. Längst kennen wir den kahlen Kitsch, den sauren Kitsch, den grünen Kitsch, den Betroffenheitskitsch und den Authentizitätskitsch und jede dieser Spielarten ist viel schwieriger aufzuspüren und bedarf eines erheblich geschliffeneren Geschmacks zu ihrer Entdeckung als die Lourdes-Madonna in ihrer ungeschützten naiven Unschuld. Sie schützt sich nicht, die Lourdes-Madonna, aber sie kann beschützen. Cordelia Spaemann, die verstorbene Frau des Philosophen Robert Spaemann, sagte, dass der Devotionalienkitsch der Wallfahrtsorte, an der Spitze die Lourdes-Madonna, der Schutzwall sei, mit dem die blasierten Ästheten – sie sprach von „Ästhetenpack“ – dem Heiligtum ferngehalten würden.
Schieben wir also die gesamte Frage des Kitsches bezüglich der Lourdes-Madonna mit der angemessenen Grobheit zur Seite und schauen wir dem nackten Faktum ins Auge, dass es im ganzen zwanzigsten Jahrhundert nicht eine einzige künstlerische oder kunsthandwerkliche Schöpfung gab, die derart eindeutig, allgemeinverständlich, nationen- und kulturenübergreifend funktional im liturgischen Sinn und identifizierbar katholisch gewesen wäre wie die Lourdes-Madonna. Ihr anonymer Schöpfer besaß dieselbe formstiftende Genialität wie der Zeichner der Mickey Mouse und der Entwerfer des Coca-Cola-Schriftzuges. Wo die Lourdes-Madonna steht, ist die katholische Kirche. Angesichts solcher Durchsetzungsgewalt – und wie sanft ist diese Gewalt! – schnurrt jedes Geschmacksurteil über sie zum höchst belanglosen persönlichen Schön- oder Hässlichfinden zusammen. ... Von der großen alten Kunst Europas ist sie genauso weit entfernt wie von der Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts, für avancierte Kunstkritiker des neunzehnten Jahrhunderts war sie Dienstmädchenkunst, für westeuropäische Liturgieexperten des zwanzigsten Jahrhunderts ist sie nur für Polen und Afrikaner tauglich. Das ist ein gutes Zeichen für ihre Lebensfähigkeit.Sag ich doch, ein „Hoch“ auf den religiösen Kitsch, denn er ergreift nicht nur das Herz sondern bringt das Heilige dort hin, wo es gebraucht wird, nämlich in den Alltag der Menschen: In die Schlafzimmer und Kirchennischen und selbstgebauten Gartengrotten.
Also laßt uns eine Lourdesmadonna in unseren Pfarrhausgarten stellen - samt Grotte!
Das Bild kommt von hier.
Mir fällt gerade ein, dass meine Mutter früher jeden Morgen etwas Weihwasser aus einer Lourdes-Madonna entnahm und mich damit bekreuzigte. Die befüllbare Statue hatte mein Großvater aus Lourdes mitgebracht.
AntwortenLöschenIch hab Jahrzehnte nicht mehr dran gedacht. Für mich als Kind war das Segnen nur wegen dieser Madonna mit dem hellblauen Verschluss interessant. Wie schade, dass ich sie mit Anfang 20 weggeworfen habe. Wie dumm.
Sehr einverstanden.
AntwortenLöschenIch bin dabei.
so so... diese Idee ist ja nicht ganz so neu - mal sehen, ob's diesmal was wird :-)
LöschenIn der Tat. Manchmal muss mann warten, bis die Zeit reif ist....
LöschenHehe, schöne Worte,- und so richtig.
AntwortenLöschenIn Italien habe ich in kleineren Ortschaften häufig sehen können, dass die Leute kleine Lourdes-Grotten oder Fatima-Statuen mit Rosenkränzen in ihren Gärten/vor ihren Häusern positioniert hatten und diese häufig mit Blumen und anderen Heiligenbildchen etc. schmückten. Ein sehr schönes Beispiel der Heiligenverehrung im Alltag!
@ Jolie, Engeline
AntwortenLöschenich dachte an den Pfarrhausgarten von OR, war nicht mal was für NR angedacht?
Ja, Pfarrhausgarten OR, habe ich schon so verstanden... eine Miniaturgrotte gibt's/gabs(?) in NR, quasi als Modell für die große, die aus einigen Gründen leider nicht gebaut wurde/werden durfte.
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